BI Exit233 Otto Quaing Lilienstraße 22 49716 Meppen Förderverein Pro E 233 Geschäftsführerin Mechtild Weßling Herzog-Arenberg-Straße 7 49716 Meppen Sehr geehrte Frau Weßling, in der Pressemitteilung vom 17.12.2020 wirft Ihr Förderverein unserer BI Exit233 Unsachlichkeit, Polemisierung, Gebrauch vermeintlicher Fakten und Diffamierung einzelner Vorstandsmitglieder des Fördervereins vor. Wir weisen diese Vorwürfe entschieden zurück. Seit März 2017 sind Frau Boven-Janßen, Herr Karsten Osmers und ich Sprecher der BI. Wir haben uns immer um Sachlichkeit bemüht, was uns bei den zahlreichen Gesprächen mit Befürwortern des Autobahnausbaus (u.a. mit Herrn Barlage) auch bescheinigt wurde. Wir haben niemals ein Mitglied des Fördervereins oder einen Befürworter diffamiert oder bei Aktionen, Informationsveranstaltungen oder auf Flugblättern „an den Pranger gestellt“. Wir möchten mit diesem Brief detailliert Stellung nehmen zu Ihren Vorwürfen. Da ein Gespräch zwischen dem Förderverein und unserer BI bisher nicht zustande gekommen ist, lässt sich eine ausführliche Darstellung nicht vermeiden! A) Verflechtung von Wirtschaft und Politik Wir kritisieren tatsächlich die Verflechtung von Wirtschaft und Politik (auch vor Ort), stellen aber niemanden deshalb „an den Pranger“, wie Sie behaupten. Unbestreitbar ist, dass es diese Verflechtung gibt. So wie z.B. die Autoindustrie großen Einfluss auf die Bundes- und Landespolitik hat, nutzen auch der Wirtschaftsverband Emsland und der Förderverein Pro E 233, deren Mitglieder ja fast identisch sind, ihre guten Kontakte zu Lokalpolitikern. Die Verflechtung zeigt sich schon darin, dass bei der Gründungsversammlung Ihres privaten Fördervereins der damalige Landrat Winter anwesend war. In der Presse wird immer wieder von Treffen und Gesprächen zwischen dem Verein und Lokal- und Landespolitikern berichtet. Auf der anderen Seite hat Herr Winter ein Gespräch mit uns schriftlich abgelehnt. Wir diffamieren Sie wegen der Nutzung dieser Kontakte nicht, kritisieren aber die ungleiche Behandlung. Dass fast alle emsländischen Kommunen Ihrem Förderverein beigetreten sind, lasten wir nicht Ihnen an, sondern den örtlichen Parteien. Die bevorzugte Behandlung des Fördervereins zeigt sich auch darin, dass ihm der Landkreis die aus dem INTERREG-Programm finanzierten Hinweisschilder zum Ausbauplan nach Ablauf des Förderzeitraums überlassen hat, sodass er auf den Schildern direkt an der E-233-Fahrbahn mit Sprüchen wie „Der Ausbau der E 233 schafft Freizeit“ Werbung machen kann, während andere Schilder und Transparente nur in einem großen Abstand zur Straße aufgestellt werden dürfen. Die von uns kritisierte Verflechtung ist also offensichtlich. B) Kosten des geplanten Ausbaus Zitat aus Ihrer PM: „Die BI polemisiere hier ein irrsinniges und milliardenteures Projekt“. Wir sprechen tatsächlich davon, dass die geplante Straße mindestens ein Milliarde Euro kosten würde. Herr Barlage nennt die aktuelle Gesamtkostenhöhe 880 Millionen. Dem stimmen wir zu! Die Entwicklung der Kosten zeigt sich an folgenden Zahlen: Prognose im Jahr 2003: 217 Millionen, Kosten 2015: 630 Millionen, Kosten 2019: 770 Millionen und im Jahr 2020: 880 Millionen! Unsere Milliarden-Prognose ist also durchaus begründet und realistisch. Die Planungskosten sind übrigens von 6 auf 17 Millionen gestiegen (2019). Von Polemik unsererseits kann also auch hier nicht die Rede sein. C) Landverbrauch Sie kritisieren, dass der von uns genannte Flächengebrauch in Höhe von 1200 ha für den E-233-Ausbau falsch sei. Die Richtigkeit unserer Zahlen können wir belegen. Aus der Antwort auf eine Anfrage der Gruppe Grüne/UWG im Kreistag Cloppenburg vom 3.12.2019 geht hervor, dass nach derzeitigem Planungsstand der Ausbau der E 233 in den beiden Landkreisen ca. 1270 ha erfordere. Davon würden 570 ha für den Bau der Trasse und den Aus- und Neubau von Wegen entfallen. Für Kompensationsflächen würden ca. 740 ha veranschlagt. Ca. 500 ha müssten noch erworben werden. Wir haben nie behauptet, dass 1200 ha versiegelt würden. Ihre Angabe, dass „nur 150 Hektar“ Land neu versiegelt würden, ist aber eindeutig falsch! Laut Planfeststellungsentwurf werden allein im ersten Planungsabschnitt 30 Hektar Land zusätzlich versiegelt und 30 Hektar zusätzlich überbaut. Das bedeutet insgesamt 6 Hektar pro Kilometer in einem Abschnitt, in dem die Straße auf der bestehenden Trasse verbreitert werden soll! Die Versiegelungsfläche ist in den Abschnitten, in denen eine neue Trasse gebaut werden soll, noch wesentlich höher. Auch Kompensationsflächen sind nicht endlos verfügbar! Der Flächenverbrauch für Straßen, Gewerbe und Wohngebiete ist in der Bundesrepublik viel zu hoch. Die selbstgesetzten Ziele der Bundesrepublik zur Verringerung des Flächenverlustes werden seit Jahren nicht eingehalten und von der EU mit „Strafgeldern“ belegt. Wir arbeiten also nicht mit vermeintlichen, sondern mit belegbaren Zahlen. D) Lärm Dazu schreiben Sie: „Der Ausbau der E 233 werde nach den heute geltenden wesentlich strengeren Lärmschutzvorgaben erfolgen, was zu einer Lärmreduzierung führen werde.“ Wir halten diese Aussage für irreführend und können belegen, dass der Lärm zunehmen wird. Die amtlichen Prognosen gehen davon aus, dass statt der jetzt gezählten ca. 12.000 Fahrzeuge nach Realisierung des Planungsfalles ca. doppelt so viele Fahrzeuge die Straße befahren werden. Doppelt so viele Fahrzeuge machen nicht weniger Lärm, sondern mehr. Durch schärfere Vorgaben ist man gezwungen, bestimmte Werte nicht zu überschreiten. Aber der Lärm ist ja dennoch da! Zudem fahren Fahrzeuge auf einer Autobahn wesentlich schneller als auf der Bundesstraße. Die höheren Geschwindigkeiten erhöhen ebenfalls den Lärmpegel, wie jeder weiß! Eine Steigerung des Lärmpegels um 10 dB wird von den Menschen als Verdopplung des Lärms empfunden. Auch in diesem Punkt dramatisieren wir also nicht, sondern nennen nachweisbare Fakten! E) Belastungen von Orten und Zufahrtsstraßen Sie werfen uns vor, wir würden Belastungen von Orten und Zufahrtsstraßen verkürzt in unserem Sinne skizzieren. Die Richtigkeit unserer Auffassung können wir aber belegen. Statt 125 Querungsmöglichkeiten wird es nur noch 27 Über- oder Unterquerungen geben. Das bedeutet, dass sich der Verkehr auf den entsprechenden Straßen konzentrieren wird. Und um von einer Seite der geplanten Autobahn auf die andere zu kommen, müssen Umwege in Kauf genommen werden. So werden auch soziale Kontakte erschwert. Dass die Baumaßnahmen nicht in einem Stück, sondern in acht Planungsabschnitten durchgeführt werden sollen, ist uns natürlich bekannt. Wir haben auch nie etwas anderes behauptet! Sie hingegen behaupten, dass die jetzige Fahrbahn während der Bauarbeiten weiter genutzt werden kann. Das ist so gar nicht möglich, weil z. B. alle Über- und Unterquerungen neu gebaut werden müssen und die Fahrbahn für die Aufnahme des zahlenmäßig doppelt so hohen und wesentlich schnelleren Verkehrs baulich verändert werden muss. Für den Ortskern Versen gilt, dass eine Auffahrt entfällt! Das bedeutet unweigerlich, dass die Ortsdurchfahrt, die zur E 233 führt, stärker belastet wird, wenn man z.B. aus dem Meppener Stadtteil Esterfeld in Richtung A 31 und Niederlande fahren will! Die sogenannte Spangenlösung wäre gar nicht nötig, wenn man wie bisher aus dem kleinen Gewerbegebiet in Versen direkt auf die E 233 gelangen könnte (50m Entfernung!). Sie loben also die Lösung eines Problems, das ohne die geplante Vierspurigkeit gar nicht auftritt! F) Ausbau als Entwicklungsmotor der Wirtschaft Zitat aus Ihrer PM: „Darüber hinaus eröffne der Ausbau entlang der Trasse nachhaltige Entwicklungschancen und fungiere als Entwicklungsmotor der Wirtschaft“. Das Emsland hat seit vielen Jahren einen enormen wirtschaftlichen Aufschwung zu verzeichnen und gilt als Vorzeigeregion. Und das alles ohne eine zweite Autobahn! Zahlreiche Gewerbegebiete sind entstanden und verdecken schon die Sicht von der Straße auf die Orte, an denen man entlangfährt. Wir sind nicht gegen Wirtschaftswachstum und Unternehmensförderung, glauben aber, dass man nicht alles einem noch weiteren Aufschwung unterordnen muss. Andere Werte müssen endlich einen gleichen Stellenrang bekommen. Zum „überwiegenden öffentlichen Interesse“, mit dem bei Bauprojekten immer wieder Einwände abgewiesen werden, muss neben der Verkehrsinfrastruktur endlich auch der Schutz von Landschaft, Tier- und Pflanzenarten und Klima und damit letztlich des Menschen gehören. G) Sicherheit und Effizienz der Strecke Sie sagen, dass „durch den vierstreifigen Ausbau vor allem die Sicherheit und Effizienz auf der Strecke erhöht werden“. Ein Vergleich der MT-Berichte über Unfälle im Emsland zeigt, dass die Zahl der Unfälle auf der A 31 und auch auf der B 70 höher ist als auf der E 233! Die stark befahrene Straße führt also nicht zu mehr Unfällen oder auch Staus, sondern anscheinend zu einem vorsichtigeren Fahren. Wir sehen durchaus die Probleme, die es zu bestimmten Zeiten auf der E 233 gibt. Vor allem Berufspendler sind sicher manches Mal genervt, wenn man hinter Kolonnen von Lkw herfahren muss, die zu eng hintereinander und mit zu hoher Geschwindigkeit fahren. Aber rechtfertigt eine mögliche Zeitersparnis von 15 Minuten für die rund 80 km lange Strecke die enormen Kosten und die Eingriffe in die Natur, die ja auch das Bundesumweltamt kritisiert? Wir haben mehrere Vorschläge zur Verbesserung der Verkehrssituation gemacht: - Kreisverkehre statt Ampeln, damit das Stoppen und Anfahren geringer wird, - Haltebuchten in regelmäßigen Abständen an der Fahrbahn, damit Landwirtschaftsfahrzeuge folgende Fahrzeuge vorbeilassen können, - Ausbau mit 2+1 Führung auf Teilstrecken, um Überholen zu erleichtern (Beispiel Lastrup). Diese Vorschläge wären leicht zu realisieren, würden nur einen geringen Teil der Kosten und einen wesentlich niedrigeren Flächengebrauch verursachen. H) Engagement aus Überzeugung In Ihrer PM heißt es: „Unsere Mitglieder [...] haben sich dem Förderverein angeschlossen und engagieren sich dort, da sie von diesem Projekt überzeugt sind.“ Das nehmen wir für uns auch in Anspruch: Wir sind überzeugt, dass das Autobahnprojekt E 233 nicht nötig ist, und engagieren uns mit großem privaten Einsatz. Wir haben keinen Werbeetat, aus dem Kosten wie z.B. für eine Firma bezahlt werden können, die für uns einen Film erstellt. Wir opfern Zeit und Geld aus Überzeugung, dass sich das Handeln der Menschen verändern muss. Immer höher, immer schneller, immer weiter ist keine Haltung, die unsere Zukunft sichert. Die Corona-Pandemie hat uns vor Augen geführt, wohin blindes Wirtschaftwachstum führen kann. Wir möchten Ihnen einige Zitate aus einer überregionalen Zeitschrift nennen, die unsere Motivation und unser Engagement erklären: „Genügsamkeit passt nicht in die Konsum-Dynamik der Wirtschaftswelt. [...] Doch dann kam Corona. Und für einen Moment stoppte das große Rad des Immer-Mehr. Wir atmeten bessere Luft und hörten plötzlich Vögel zwitschern, wo früher Lärmteppiche alles überdeckten.“ „Die alte, fast vergessene Idee der Mäßigung hat neue Aktualität gewonnen. Angesichts von Klimakrise und Artensterben, Ausbeutung der natürlichen Ressourcen und Vermüllung der Ozeane ist die Fähigkeit des Maßhaltens zu einer Überlebensfrage geworden.“ „Wir sind völlig doppelzüngig unterwegs. Wir haben große Ziele in der Politik, aber de facto tun wir so, als ginge es immer so weiter.“ „Wir brauchen einen Politikwandel, der Nachhaltigkeit nicht als mögliches Nebenprodukt einer ökonomischen Wachstumsagenda behandelt. Wir müssen den Weg in eine Zukunft gehen, in der Natur und Menschen versöhnt sind.“ Diese Zitate stammen aus Artikeln der christlichen Zeitschrift publik-forum. Und ein aktuelles Zitat aus der sicher nicht unternehmerfeindlichen NOZ vom 2.1.2021 lautet: „Keine Frage: Güter müssen von A nach B gelangen- und das möglichst schnell und reibungslos. Nimmt man die Bekämpfung des Klimawandels ernst, müssen ebenso fraglos mehr Güter auf der Schiene transportiert werden. [...] Seit Jahren schwankt der Anteil der Schiene um die 18 Prozent. Das ist für eine echte Verkehrswende zu wenig. Stattdessen fließen weiter Unsummen in den Ausbau von Autobahnen. [...] Wer aber eine Verkehrswende will, muss dafür sorgen, dass deutlich weniger Lkw auf den Straßen unterwegs sind, nicht mehr.“ (Aus dem Kommentar zum Artikel „Hinterlandanbindung der Häfen lahmt“) Wir unterstellen den Befürwortern der Autobahn keineswegs, dass ihnen die Umwelt egal ist. Aber die Priorität wird von ihnen anders gesetzt. Auf deutschen Autobahnen fährt man als Pkw-Fahrer oft an „Wänden“ von Lkw entlang, die wegen der hohen Anzahl fast im Dauerstau stehen und deren Fahrer verzweifelt nach Rastplätzen suchen. Das Problem kann man auf zwei Arten angehen. Eine Möglichkeit, die die Mitglieder des Fördervereins sicher unterstützen: Noch mehr Autobahnen, Anzahl der Fahrstreifen erhöhen, mehr Rastplätze anlegen. Die Folge wäre eine steigende Zahl an Lkw und Pkw, die wiederum Probleme machen. Wird das nicht eine Endlosschleife? Ein treffendes Zitat dazu sagt: „Wer Autobahnen sät, wird Verkehr ernten!“ Die andere Möglichkeit erfordert ein Umdenken in der Verkehrspolitik: Mehr Güterverkehr auf Schiene und Wasser, Förderung der Bahn und des ÖPNV statt der E-Prämie für SUV, in die dafür ein kleiner E-Motor eingebaut wurde. Der Landkreis Emsland gibt Millionen für die Autobahnplanung aus, ist aber nicht bereit, den ÖPNV stärker zu unterstützen. Somit werden auch in diesem Jahr die Bustarife „angepasst“, was gerade die Menschen trifft, die entweder aus Not oder aus Überzeugung die Busse im Emsland nutzen. Ebenso fragwürdig ist die Haltung eines Lokalpolitikers, der gegen private Kiesgärten vorgehen will, aber gleichzeitig ausdrücklich betont, dass er ohne „Wenn und Aber“ für die Autobahn E 233 ist. Das Reden von Nachhaltigkeit und Klimaschutz bleibt nur Gerede, wenn bei Projekten vor Ort so weiter gemacht wird wie vor fast 20 Jahren. Der Autobahnplan E 233 mag einmal folgerichtig gewesen sein. Aber in den letzten Jahren haben sich dramatische Veränderungen ergeben, die dazu führen müssen, dass jedes Projekt überdacht und seine Auswirkung auf Natur und Klima überprüft wird. Und daraus muss konkretes Handeln erfolgen, das Mut und Weitsicht erfordert. Dass das Umsetzen einer anderen Verkehrspolitik nicht einfach ist und auch lange dauern wird, ist uns klar. Aber jeder Schritt auf alten Wegen verhindert das Suchen neuer Wege. Vielleicht erkennen Sie an diesem ausführlichen Brief, dass wir uns schon lange und ernsthaft mit dem Thema auseinandersetzen und mit den Fakten vertraut sind. Wenn Sie belegen können, dass unsere Daten in bestimmten Punkten falsch sind, so teilen Sie uns das gerne mit. Wir haben unsere Position immer wieder deutlich gemacht und werden uns weiterhin dafür engagieren, respektieren aber durchaus andere Meinungen und erwarten das auch von den Befürwortern des Autobahnprojekts! Im März 2020 hatten wir dem Förderverein ein Gespräch angeboten, das Sie, Frau Weßling, mit dem Hinweis auf Corona verschoben haben (Ihr Schreiben vom 16.3.20). Wir sind immer noch zu einem Gespräch bereit. Eine Kopie dieses Schreibens werden wir Herrn Landrat Burgdorf und den Vorsitzenden der Kreistagfraktionen zukommen lassen, da der Landkreis Emsland ja Mitglied des Fördervereins ist, in dessen Namen Sie die Pressemitteilung veröffentlicht haben. Mit freundlichem Gruß Otto Quaing gez.: Karsten Osmers, Helga Boven-Janßen (Sprecher/in der BI Exit 233) |